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Ensemble Orchester ensemble arcimboldo

ensemble arcimboldo, Basel


Das ensemble arcimboldo, Basel (www.arcimboldo.ch) wurde 1991 von Thilo Hirsch gegründet. Die Kernbesetzung ist ein Continuo-Ensemble mit Viola da gamba/Violone, Orgel/Cembalo und Chitarrone/Laute. Dieses wird je nach Anforderung um andere Continuo-Instrumente (wie Violoncello, Fagott, Harfe, Lirone), Melodieinstrumente (Violinen, Zinken, Trompeten oder Trombe marine) und SängerInnen erweitert. Alle Ensemblemitglieder haben an renommierten Instituten für Alte Musik wie der Schola Cantorum Basiliensis oder dem Königlichen Konservatorium Den Haag studiert. Das ensemble arcimboldo ist an zahlreichen europäischen Festivals aufgetreten, (Festival Atlantico/Madeira, Mozartfest Schloss Schwetzingen, Ekhof-Festival, Festival Fränkischer Sommer, Barockfest Münster). Neben Rundfunkaufnahmen etwa beim Projekt d’amore des WDR Köln/2005 oder der Musica Antiqua-Reihe des Bayerischen Rundfunks/2004 arbeitet das ensemble arcimboldo auch mit verschiedenen Vokalensembles zusammen und hat mehrere CDs aufgenommen.


Thilo Hirsch studierte an der Schola Cantorum Basel Viola da gamba bei Christophe Coin und Gesang bei R. Levitt und Kurt Widmer. Seit 1991 ist er künstlerischer Leiter des ensemble arcimboldo, mit welchem er schon an zahlreichen Konzerten, Rundfunkaufnahmen (u.a. am Projekt d’amore des WDR Köln, 2005) und CD-Produktionen teilgenommen hat. 1996 gründete Thilo Hirsch das Theaterensemble TEATRO ARCIMBOLDO (www.arcimboldo.ch). Vom Erfolg dieser Arbeit zeugen die Einladungen zu vielen europäischen Festivals und die begeisterten Kritiken: „Sinnenrausch, köstliches Musiktheater“/Basler Zeitung, „faszinierendes Tanztheater“/ Schwetzinger Zeitung, „Spektakel für alle Sinne auf mitreißendem Niveau“/Fränkischer Tag, „Ein Abend der Maßstäbe setze“/Thüringer Allgemeine oder „kostbares Juwel, das das Publikum mit lang anhaltendem, stürmischem Applaus würdigte.“/Schwetzinger Woche.
Sein Interesse für seltene Streichinstrumente führte dazu, dass sich Thilo Hirsch auch der Erforschung des Tromba marina-Spiels widmete. Er ist nun einer der wenigen Experten für dieses außergewöhnliche, im Barock weit verbreitete Instrument. Ab 2007 arbeitet er zudem an einem Forschungsprojekt der Schola Cantorum Basel zum Thema: "La Grande Écurie - Erforschung und Rekonstruktion der Instrumente und ihres Repertoires am Hof Ludwigs XIV und XV."
Seit 1992 wurde Thilo Hirsch für Konzerte, CD- und Rundfunkaufnahmen unter anderem von Michel Corboz (Ensemble Vocal de Lausanne), Ensemble TURICUM, Parthenia Vocal, Basler Madrigalisten, Tölzer Knabenchor, Singknaben Solothurn und dem Gulbenkian Choir/Lissabon verpflichtet. Seine Konzertreisen und Tourneen führten ihn schon durch ganz Europa, nach Nordafrika und Nordamerika.


Die "Messe von Muri" - Über ein außergewöhnliches Projekt


Johann Valentin Rathgeber, der zeit seines Lebens als einer der beliebtesten und einflussreichsten Komponisten Süddeutschlands galt, wird 1682 in Oberelsbach (Unterfranken) geboren. Er erhält seinen ersten Musikunterricht beim Vater, dem Organisten Valentin Rathgeber. Nach einem Studium der Logik und der Theologie tritt er 1707 im Kloster Banz (Oberfranken) in den Benediktinerorden ein und ist dort in der Folgezeit als Prediger und Musiker tätig.
Nachdem Rathgeber diese Positionen 22 Jahre ausgefüllt hat, will er seinem Leben noch einmal eine neue Wendung geben und bittet seinen Abt, ihm eine Bildungsreise durch Europa zu erlauben. Als der Abt ihm diese Erlaubnis nicht erteilen will, verlässt Rathgeber das Kloster 1729 unerlaubt und reist zuerst mit verschiedenen Zwischenaufenthalten bis nach Trier. Danach führt ihn sein Reiseweg in den Bodenseeraum und die Schweiz (belegt sind hier Aufenthalte im Kloster Muri/Aargau, Kloster Wettingen/Aargau und Päfers bei St. Gallen) und dann weiter nach Osten über Österreich bis nach Ungarn.
Als Rathgeber 1738 nach neun Jahren Abwesenheit wieder vor der Pforte des Klosters Banz steht, muss er erst 17 Tage Carzer-Haft absitzen, bevor er wieder in die Ordensgemeinschaft aufgenommen wird. Hier verbringt er die letzten zwölf Jahre seines Leben bis zu seinem Tod 1750, wobei er sich hauptsächlich der Fortsetzung seiner weltlichen Kompositionen widmet.

Auf seiner Reise kam Rathgeber meist in Benediktinerklöstern unter, wofür er sich mit Widmungen seiner Kompositionen bedankte. Solch eine Widmung ist auch für das Kloster Muri belegt. Im Ausgabenbuch für das Jahr 1731 findet sich ein Eintrag über die Auszahlung von 10 Gulden und 20 Schilling an Rathgeber für die Widmung einer Messe zum Jahrestag der Weihe des Fürstabts Gerold Haimb (1678-1751). Am 24. Oktober 1731 wurde diese Messe dann erstmals in der Klosterkirche Muri aufgeführt. Da der gesamte Musikalienbestand des Klosters Muri im Zuge der Säkularisierung 1841 verloren ging, galt seitdem auch die Messe von Rathgeber als verschollen.

Sensationelle Wiederentdeckung

Im Zuge meiner Forschung zum Thema „Musik aus Schweizer Klöstern mit Tromba marina“ stieß ich im Jahr 2002 bei einer Recherche in der Klosterbibliothek Einsiedeln auf das Manuskript einer anonymen Messe in C-Dur mit dem Titel „Messe von Muri“. Im Jahr 2005, bei einer Recherche im Okresny-Archiv in Bratislava, fiel mir eine einzeln überlieferte handschriftliche Bassstimme einer Messe in D-Dur von Johann Valentin Rathgeber mit der Angabe Opus XII/14 in die Hände. Trotz der veränderten Tonart erkannte ich sofort, dass es sich um dieselbe Messe handelte, die in Einsiedeln anonym und in C-Dur überliefert war. In Zusammenarbeit mit der Valentin-Rathgeber-Gesellschaft konnte schließlich noch eine 1733 von Rathgeber selbst als Druck veröffentlichte Version (Opus XII, Missa Solemnis 12) derselben Messe identifiziert werden. 275 Jahre nach der Uraufführung der „Messe von Muri“ in der Klosterkirche Muri bot sich nun die einzigartige Möglichkeit dieses Werk am Ort seiner Entstehung in der Einheit von Musik, prunkvoller barocker Architektur und historischem Instrumentarium wieder erklingen zu lassen.

„Die Tromba kann auch gegeigt werden“- Besetzung der Bläserpartien

Eine wichtige Fragestellung bei der Aufführung barocker Kompositionen ist die Besetzung der Bläserpartien. Die Bezeichnungen der Bläser-Stimmen insbesondere der Trompeten-Instrumente waren im 18. Jahrhundert noch sehr variabel, und es wurden für dasselbe Instrument verschiedene Namen verwendet wie Clarino, Tromba, Tuba oder Lituo. Je nach Kontext konnten mit diesen Bezeichnungen aber auch verschiedene Trompeten-Ersatzinstrumente wie Tromba marina (hauptsächlich im süddeutschen Raum) und Clarinetto gemeint sein. Jedes dieser „Trompeten“-Instrumente hat seine eigenen, ganz speziellen Charakteristika, die wir in dieser Aufnahme vorstellen wollen.

Das Manuskript der „Messe von Muri“ in der Klosterbibliothek Einsiedeln trägt einen Herkunftsvermerk aus dem Kloster Seedorf, welches eng mit Muri verbunden war. Da für das Kloster Seedorf die Verwendung von Trombe marine für die Clarino-Stimmen belegt ist, haben wir uns auch für die vorliegende Aufnahme für diese Besetzung entschlossen. Die Ergänzung einer Paukenstimme zu den Clarini entspricht einer üblichen Praxis des 18. Jahrhunderts. Für die Aufnahme haben wir die Rekonstruktion einer erstmals bei Daniel Speer 1697 beschriebenen Holzpauke verwendet .
Bei Rathgebers Konzert Nr. 19 aus Opus VI mit der Solostimmen-Bezeichnung Clarineto vel Lituo handelt es sich um das erste bekannte Klarinetten-Konzert. Vor allem im langsamen Satz ist die besondere Möglichkeit der Klarinette zu Verzierungen außerhalb des Naturtonbereiches zu hören. Das Konzert Opus VI/Nr. 20 ist im Vergleich dazu mit einer (lochlosen) Naturtrompete besetzt. Im Doppelkonzert Opus VI/Nr. 14 für zwei Clarini vel Litui erklingen Klarinette und Naturtrompete zusammen. Wahrscheinlich wurden für solche Doppelkonzerte meist zwei gleiche Instrumente verwendet. Allerdings existiert in Telemanns Serenata „zum Convivio der HH Burgercapitains“ aus dem Jahr 1728 auch ein prominentes Vorbild für eine gemischte Besetzung.
Die Aufnahme des Tromba marina-Konzerts von C. G. Telonius stellt eine weitere Besonderheit dieser Produktion dar. Es ist das erste Mal, dass ein Konzert für dieses außergewöhnliche Instrument auf einem Tonträger erscheint. Im Manuskript ist als Komponist nur „Teloni“ angegeben. Wahrscheinlich handelt es sich dabei um Christian Gottfried Telonius, von dem in der zweiten Hälfte des 18. Jahrhunderts einige Kompositionen erhalten sind. Die für die Aufnahme vorgenommene Transposition des Konzertes nach D-Dur (Original E-Dur) folgt einer schon bei dem Tromba marina-Virtuosen Jean-Baptiste Prin 1742 in seinem Traité sur la Trompette marine beschriebenen Vorgehensweise.

Nur eine vorurteilsfreie Neugier auf ungehörte Klänge, Instrumente und unbekannte Werke kann unser Verständnis des Bekannten vertiefen und so die Alte Musik davor bewahren, ausschließlich sich selbst zu reproduzieren, statt die gesamte Farbigkeit vergangener Epochen wieder aufleuchten zu lassen.

Thilo Hirsch


„Wann der Trompeten-Schall will allzulaut erthönen ...“


– Eine kleine Instrumentenkunde der Trompete und einiger ihrer Verwandten

„Das aller stärkeste und am weitesten schallende Instrument mag wohl die Trompete, Ital. Tromba oder Clarino seyn, deswegen es auch im weiten Felde, und bey Solennitäten, wie auch in Kirchen, grossen Gebrauch hat;“

Mit diesen Worten wird die Trompete in Joseph Friederich Bernhard Caspar Majers Neu-eröffneter Theoretisch- und Pracktischer Music-Saal (Schwäbisch Hall 1732) beschrieben. Die hier betonte Lautstärke des Instrumentes mag ein Grund für die herausragende Stellung der Trompete sein, ein anderer ist sicher ihre Exklusivität. So waren die zunftmäßig organisierten Trompeter zunächst ein besonderes Privileg des hohen Adels, eine Art akustisches Herrschersymbol. Diese Vorzugsstellung der Trompeter, die sich der Adel mit besonderer Entlöhnung, eigenen Livreen, kostbaren Instrumenten vorzugsweise aus Nürnberger Produktion usw. auch einiges kosten ließ, machte Trompeter zu einem knappen, aber begehrten Gut.
Dabei handelt es sich bei der Trompete um ein musikalisch nicht unproblematisches Instrument. Da man auf ihr nur die Töne der Naturtonreihe hervorzubringen vermag, resultiert eine eingeschränkte Skala. Bekanntlich ergibt sich durch Überblasen des Grundtons erst ab dem 8. Teilton eine diatonische Reihe von Tönen, darunter liegen nur Dreiklangstöne bzw. Oktaven und Quinten (also C c g c1 e1 g1 b1 c2 d2 e2 f#2 g2 a2 b2 h2 c3 ...). Ein zusätzliches Problem besteht darin, dass einige dieser Töne (hier unterstrichen), wie insbesondere der 7., 11. und 13. Teilton, sich nicht in eine in der Kunstmusik gebräuchlichen Skalen einfügen, sondern wie das bekannte „Alphorn-Fa“ (11. Teilton) etwas daneben stehen. Nur durch ein kunstvolles und viel Erfahrung erforderndes „Treiben“ mittels Lippenspannung ließen sich diese Töne musikalisch verwenden, wie überhaupt das Spiel in der hohen Lage, der so genannten Clarin-Lage, besonderen Spezialisten vorbehalten war. Bei dieser Gelegenheit sei auch kurz auf die so genannten ‘Barocktrompeten’ des 20. Jahrhunderts hingewiesen, wie sie heute meist zu hören sind. Diese weisen bis zu vier kleine Grifflöcher auf, die die Hervorbringung und Intonation der problematischen Naturtöne erleichtern -allerdings auf Kosten des Klanges und abgesehen davon, dass es sich um eine moderne Entwicklung handelt, die bei historischen Trompeten nicht verwendet wurde.

Die gleich mehrfachen Beschränkungen der Naturtrompete wie die Exklusivität, der nur beschränkt verfügbare Tonvorrat und die Schwierigkeit des Spiels in hoher Lage führte zur Entwicklung von verschiedenen Ersatzinstrumenten:

Schon im Namen wird dies bei der Klarinette deutlich: „Clarineto, ist ein zu Anfange dieses Seculi von einem Nürnberger erfundenes, und einer langen Hautbois nicht ungleiches hölzernes Blaß-Instrument, ausser daß ein breites Mund-Stück daran befestiget ist; klingt von ferne einer Trompete ziemlich ähnlich“ heißt es bei Johann Gottfried Walther in seinem Musicalischen Lexicon von 1732. Allerdings hat die barocke Klarinette, da ihr Tonvorrat nicht auf die Naturtöne beschränkt ist, größere melodische Möglichkeiten als die Naturtrompete (zu hören etwa in Rathgebers Klarinettenkonzert Opus VI/19, zweiter Satz). Bei der modernen Klarinette ist die klangliche Nachbarschaft zur Trompete nicht mehr hörbar, beide Instrumente haben sich seit dem 18. Jahrhundert weit voneinander entfernt.

Noch vor der barocken Klarinette entstand im 17. Jahrhundert die Tromba marina, die mir ihrem Vorläufer, dem Trumscheit, nur mehr weniges gemeinsam hat. Bei der Tromba marina handelt es sich um ein etwa 2 m hohes Streichinstrument mit manchmal weit ausladendem Resonanzkasten, das mit einer einzigen Saite bespannt ist. Auf ihr werden durch leichtes Auflegen der Finger nur die Flageolettöne erzeugt, also die Obertöne der Saite abgegriffen. Die Skala entspricht der der Naturtrompete, nur die Korrektur der problematischen Teiltöne ist etwas leichter, wenn auch wiederum auf Kosten des Klanges. Seinen Namen „Tromba“ verdankt das Instrument aber vor allem einem asymmetrischen, fast schuhförmigen Steg: Der eine Stegfuß steht direkt unter der Saite und überträgt die Schwingung auf den Resonanzboden, der zweite, ausladende Stegfuß hingegen schwebt über der Decke. Beim Schwingen der Saite trommelt er gegen die Decke und erzeugt den charakteristischen trompetenähnlichen Klang – sie klänge „wie eine Trompete, aber sanffter und angenehmer“, schreibt J.G. Walther 1732. Über den zweiten Bestandteil des Namens („marina“) kann nur spekuliert werden: von der etymologisch nicht haltbaren Ableitung von Maria, über die ebenso mythische wie unwahrscheinliche Verbindung mit dem Meer bis zur italienischen Bezeichnung der in ähnlicher Form auftretenden Wasserhose sind der Phantasie keine Grenzen gesetzt.) Durch Regulieren dieses Schnarrstegs kann der Klang verändert werden, so dass man abwechselnd die Kraft einer geblasenen Trompete, die Süße einer Traversflöte oder die Harmonie eines Cembalos erreichen kann: „donner la force d’une trompette de bouche, la douceur d’une flute et l’harmonie d’un Clavecin“ heißt es bei dem barocken Tromba marina-Virtuosen Jean-Baptiste Prin 1742. (Der spezielle Traversflötenklang ist im dritten Satz des Tromba marina-Konzertes von Telonius zu hören.)

Zu den Trompeten gehörten seit dem Mittelalter auch die Pauken und sie bildeten zusammen ein festes musikalisches wie militärisches Ensemble. J.F.B.C. Majer nennt sie denn auch die „heeroische Paucken“, abgeleitet von Heerpauke und Heros, die „zum ordentlichen Fundament, Accompagnement oder Bass der Trompeten“ dienten. In Zeiten der Trauer wurden die Felle der Pauken mit Tuch abgedeckt bzw. mit Schlegeln gespielt, die mit Stoff überzogen waren, damit sie dem Anlass entsprechend dumpf klangen.
Daniel Speer berichtet 1697 in seinem Grund-richtigen, Kurtz-, Leicht-, und Nöthiger Unterricht der Musicalischen Kunst erstmals von einem „Sonderbahren Heerpaucken-Instrument“, das besonders in Kirchen zusammen mit der Tromba marina verwendet würde. Dabei handelte es sich um einen rechteckigen hölzernen Resonanzkasten, der mit einer einzigen Saite bespannt war. Diese war durch einen Steg in zwei ungleiche Teile geteilt, was zwei verschiedene Töne wie bei einem Paukenpaar ergab. Die Saite wurde mit Schlegeln geschlagen und klinge - nach Speer - „wie verdeckte Heerpaucken“. Bis Ende des 18. Jahrhunderts war diese - heute völlig vergessene Paukenart - anscheinend noch bekannt, wird sie doch sowohl von Altenburg (1795) als auch bei J.C. Adlung (1796) erwähnt.

Diese kurze Übersicht zur Trompete und ihrer Ersatzinstrumente lässt die klangliche Vielfalt früherer Zeiten erahnen, die es - als ein fernes Echo - heute wieder zu entdecken gilt.

Dr. phil. Martin Kirnbauer
Leiter des Musikmuseums Basel

Ensemble Orchester Camerata Salzburg

Die Camerata Salzburg musiziert „voll revolutionärer Energie und utopischem Potenzial, kompromisslos individuell, kühn und modern – und doch klassisch stringent“, wie die Salzburger Nachrichten anlässlich eines Konzertes zum 60-jährigen Bestehen des Orchesters befanden. Der Musizierstil der Camerata wurde in den mehr als sechs Jahrzehnten ihres Bestehens von der kontinuierlichen Zusammenarbeit mit Musikerpersönlichkeiten wie Bernhard Paumgartner, Géza Anda, Sándor Végh, Sir Roger Norrington und András Schiff geprägt. Bedeutende MusikerInnen wie Clara Haskil, Dietrich Fischer-Dieskau, Heinz Holliger, Aurèle Nicolet, Wolfgang Schneiderhan, Christoph Eschenbach, Philippe Herreweghe, René Jacobs, Franz Welser-Möst und Peter Ruzicka konzertierten mit dem Kammerorchester, dessen Besetzung von chorisch aufgeführten Streichquartetten bis zu romantischer Symphonik und Werken der Moderne reicht. Der Klangkörper zählt in Mozarts Geburtsstadt als Konzert- und Opernorchester zu den Stammensembles der Salzburger Festspiele und Salzburger Mozartwoche und hat einen eigenen Abonnementzyklus in seiner Heimstätte, dem Mozarteum. Das Orchester konzertiert regelmäßig in Musikzentren wie dem Wiener Konzerthaus, der Elbphilharmonie Hamburg, dem Konzerthaus Berlin, dem Festspielhaus Baden-Baden, im Bregenzer Festspielhaus, beim Carinthischen Sommer, den Haydn-Festspielen Eisenstadt, in München, London, Florenz, Moskau, St. Petersburg, Bejing, Tokyo und in den Festspielstädten Aix-en-Provence und Luzern. Konzertreisen führten das Orchester in alle Erdteile der Welt. Mehr als 60 Platten- und CD-Aufnahmen, von denen viele mit bedeutenden Preisen ausgezeichnet wurden, dokumentieren die Musizierkultur der Camerata Salzburg aus sechs Jahrzehnten. Die beiden Gesamteinspielungen von Mozarts Klavierkonzerten mit den ungarischen Pianisten Géza Anda und András Schiff sowie die Gesamtaufnahme von Mozarts Serenaden und Divertimenti unter der Leitung von Sándor Végh bilden Meilensteine der Schallplattengeschichte. Herausragende Solistinnen und Solisten wie Anne-Sophie Mutter, Hilary Hahn, Patricia Kopatschinskaja,Julian Rachlin, Daniel Hope, Benjamin Schmid, Joshua Bell, Thomas Zehetmair, Augustin Dumay, Veronika Hagen, Mitsuko Ushida, Elisabeth Leonskaja, Claire-Marie Le Guay, Yu Kosuge, Oleg Maisenberg, Murray Perahia, Olli Mustonen, Alexander Lonquich, Till Fellner, Fazil Say, Stefan Vladar, Heinrich Schiff, Patrick Demenga und François Leleux sowie Sängerinnen wie Genia Kühmeier, Vesselina Kasarova, Christiane Oelze und Elina Garanca zählen zu den Gästen auf dem Camerata-Podium. Die ehemaligen Konzertmeister Gérard Korsten und Alexander Janiczek kehren als Leiter von Konzerten immer wieder zum Orchester zurück. Gegründet im Jahr 1952 mit Lehrern und Studenten des Salzburger Mozarteums, avancierte die Camerata mit Mozart-Matineen schon bald zu einem Herzstück der Salzburger Festspiele. Ins Leben gerufen wurde das Ensemble vom Mitbegründer und späteren Präsidenten der Festspiele, Bernhard Paumgartner. Dem Dirigenten, Pädagogen und Musikwissenschaftler ging es mit der Camerata um die Bewahrung und gleichzeitig um die Belebung eines klassischen und klassizistischen Musikgeistes. Der Name – ursprünglich Camerata Academica des Salzburger Mozarteums – wurde als Anlehnung an die historische Camerata Fiorentina der Renaissance gewählt. Bereits unter der Ägide Bernhard Paumgartners galt als maßgebliche Ausrichtung des Ensembles, was auch heute eine organisatorische und künstlerische Maxime ist: Musizieren in Eigenverantwortung mit Gemeinschaftssinn. In der Camerata Salzburg bekam die Form des Kammerorchesters eine vorbildhafte Tradition. Die Musikerinnen und Musiker musizieren mit Dirigenten, aber auch geleitet von Solisten oder vom Konzertmeister sowie in kleineren kammermusikalischen Besetzungen. Im Zentrum des Repertoires stand von Anfang an naturgemäß das Schaffen des Genius loci Mozart sowie die Musik von Haydn, Beethoven und Schubert. Im Rahmen der Mozart-Matineen der Salzburger Festspiele führte die Camerata über Jahrzehnte hinweg unzählige symphonische und konzertante Werke Mozarts auf und prägte damit einen typischen „Salzburger Mozart-Klang“, der immer wieder frische Impulse erhielt. Seit 1956, als die erste Mozartwoche in Salzburg stattfand, richtet die Camerata auch bei diesem renommierten Festival das Hauptaugenmerk auf ihr Kernrepertoire mit Musik der Wiener Klassik. Bereits in der ersten Mozartwoche kam es auch zur Mitwirkung als Opernorchester. Die Weiterentwicklung des Orchesters nach der Ära Paumgartner wurde zunächst von Antonio Janigro getragen, unter dessen künstlerischer Leitung ab 1974 der erste eigene Abonnementzyklus des Orchesters ins Leben gerufen wurde. Als Geigensolist musizierte mit der Camerata in jener Zeit Sándor Végh, der 1978 die künstlerische Leitung des Orchesters übernahm und parallel zu seinem Wirken als Pädagoge am Salzburger Mozarteum herausragende junge Musikerinnen und Musiker in den Klangkörper einbezog. Sándor Végh verwirklichte ein Musizier-Ideal des Streichquartetts auf größer besetzter Ebene und förderte die individuelle Gestaltungsweise der einzelnen Orchestermitglieder innerhalb und zugunsten des Kollektivs. Végh ließ Kammermusikwerke in chorischer Besetzung spielen und erweiterte gleichzeitig das kammerorchestrale Repertoire auf Musik der Romantik (u. a. Mendelssohn Bartholdy, Brahms, Dvorˇák, Tschaikowsky) und der klassischen Moderne (Bartók, Strawinsky, Schönberg). Mit der „Begegnung“ rief die Camerata außerdem ein eigenes Festival ins Leben und erhielt ab 1987 im Wiener Konzerthaus einen Zyklus. Ab 1993 kehrte die Camerata auch als Opernorchester zu den Salzburger Festspielen zurück („Lucio Silla“, „La clemenza di Tito“, „Le nozze di Figaro“, „The Rake’s Progress“ u. a.). Bei der Mozartwochen-Produktion von Mozarts „Mitridate, Re di Ponto“ im Jahr 1997 wurde mit Sir Roger Norrington ein Nachfolger für den verstorbenen Sándor Végh gefunden. Sir Roger verband von 1998 bis 2006 als Chefdirigent den charakteristischen Ensemblestil der Camerata mit seinen Erfahrungen im historisch informierten Musizieren. Die Salzburger Festspiele widmeten der Camerata und Norrington einen eigenen Konzertzyklus. 2007 übernahm Norringtons Stellvertreter, der Geiger Leonidas Kavakos, für drei Jahre die künstlerische Leitung. 2011 wurde Louis Langrée zum Chefdirigenten bestellt, in dessen Musizierstil und Repertoireschwerpunkten die Camerata eine große Übereinstimmung und ebenso viele inspirierende Akzente findet. Auch im siebten Jahrzehnt ihres Bestehens bewahrt sich die Camerata Salzburg eine „Spielfreude, die ansteckend wirkt“ (Neue Zürcher Zeitung). - Rainer Lepuschitz

Ensemble Orchester Wiener Philharmoniker

The Vienna Philharmonic

There is perhaps no other musical ensemble more consistently and closely associated with the history and tradition of European classical music than the Vienna Philharmonic. In the course of its over 160 year history, the musicians of this most prominent orchestra of the capital city of music have been an integral part of a musical epoch which due to an abundance of uniquely gifted composers and interpreters must certainly be regarded as unique.

The orchestra's close association with this rich musical history is best illustrated by the statements of countless pre-eminent musical personalities of the past. Richard Wagner described the orchestra as being one of the most outstanding in the world; Anton Bruckner called it "the most superior musical association"; Johannes Brahms counted himself as a "friend and admirer"; Gustav Mahler claimed to be joined together through "the bonds of musical art"; and Richard Strauss summarized these sentiments by saying: "All praise of the Vienna Philharmonic reveals itself as understatement."

A Symbiotic Relationship: Vienna State Opera / Vienna Philharmonic

When Hans Knappertsbusch said that the Philharmonic was "incomparable," his comment was correct in more ways than one. One notable aspect of this incomparability is certainly the unique relationship between the Vienna State Opera Orchestra and the private association known as the Vienna Philharmonic. In accordance with Philharmonic statutes, only a member of the Vienna State Opera Orchestra can become a member of the Vienna Philharmonic. Before joining the Philharmonic therefore, one must first successfully audition for a position with the State Opera Orchestra and prove oneself capable over a period of three years before becoming eligible to submit an application for membership in the association of the Vienna Philharmonic. The engagement in the Vienna State Opera Orchestra provides the musicians a financial stability which would be impossible to attain without relinquishing their autonomy to private or corporate sponsors. This independence which the Philharmonic musicians enjoy through the opera is returned in kind due to a higher level of artistic performance gained through the orchestra's experience on the concert podium. Without the Vienna State Opera there would be no Vienna Philharmonic as we know it, and in Vienna it is common knowledge that this symbiosis is advantageous for both institutions, and that it greatly enriches the city's musical life.

Artistic and Entrepreneurial Autonomy

Since its inception through Otto Nicolai in 1842, the fascination which the orchestra has exercised upon prominent composers and conductors, as well as on audiences all over the world, is based not only on a homogenous musical style which is carefully bequeathed from one generation to the next, but also on its unique structure and history. The desire to provide artistically worthy performances of the symphonic works of Mozart and Beethoven in their own city led to the decision on the part of the court opera musicians to present a "Philharmonic" concert series independent of their work at the opera, and upon their own responsibility and risk. The organizational form chosen for this new enterprise was democracy, a concept which in the political arena was the subject of bloody battles only six years later.


Democratic Self-administration

Over the course of one and a half centuries, this chosen path of democratic self-administration has experienced slight modifications, but has never been substantially altered. The foremost ruling body of the organization is the full orchestra membership itself. In addition to the yearly general business meeting (required by law), several additional meetings of the full orchestra take place during the year. At these meetings, any and every issue may be brought up and voted upon. In actual practice, numerous decisions are delegated to the twelve elected members of the administrative committee. These members find out at periodically scheduled elections if their decision-making still inspires the trust of the entire orchestra. With the exception of changes to the statutes, which require a 4/5 majority, all decisions are made based on a simple majority, and the execution of those votes is the responsibility of the administrative committee. While the expansion into a mid-sized business enterprise has required the hiring of some extra administrative personnel, it is nevertheless the elected officials, members of the orchestra alone who make decisions and carry ultimate responsibility.

The Message of Music

The Vienna Philharmonic has made it its mission to communicate the humanitarian message of music into the daily lives and consciousness of its listeners. In 2005 the Vienna Philharmonic was named Goodwill Ambassador of the World Health Organisation (WHO), and since 2006 the orchestra has also been Ambassador for the Phonak initiative "Hear the World". The musicians endeavour to implement the motto with which Ludwig von Beethoven, whose symphonic works served as a catalyst for the creation of the orchestra, prefaced his "Missa Solemnis" - "From the heart, to the heart".


Die Wiener Philharmoniker

Kaum ein anderer Klangkörper wird dauerhafter und enger mit der Geschichte und Tradition der europäischen Musik in Verbindung gebracht als die Wiener Philharmoniker. Im Laufe ihres nunmehr 166 jährigen Bestehens erlebten und prägten die Mitglieder dieses in der "Hauptstadt der Musik" beheimateten Ensembles das musikalische Geschehen durch eine Zeitepoche hindurch, die aufgrund der Vielzahl an genialen Komponisten und Interpreten in ihrer künstlerischen Bedeutung einmalig erscheint.

Die Verbundenheit der Wiener Philharmoniker mit der musikalischen Geschichte lässt sich in den Zitaten vieler herausragender musikalischer Persönlichkeiten eindrucksvoll nachvollziehen. Richard Wagner beschrieb das Orchester als eines der allervorzüglichsten der Welt, Anton Bruckner nannte es "den höchsten Kunstverein in der Musik", Johannes Brahms bezeichnete sich als "Freund und Verehrer" des Orchesters, Gustav Mahler fühlte sich "durch das Band der Kunst" verbunden, und Richard Strauss fasste zusammen: "Die Philharmoniker preisen heißt Geigen nach Wien tragen".

Symbiose Wiener Staatsoper/Wiener Philharmoniker

Wenn Hans Knappertsbusch die Philharmoniker als "die Unvergleichlichen" bezeichnet, trifft diese Aussage in mehr als einem Punkt zu, denn die Beziehung zwischen dem Orchester der Wiener Staatsoper und dem Verein der Wiener Philharmoniker ist weltweit einzigartig. So kann gemäß den derzeit gültigen philharmonischen Statuten nur ein Mitglied des Orchesters der Wiener Staatsoper Mitglied bei den Wiener Philharmonikern werden. Vor der Aufnahme in die private Vereinigung muss also ein Probespiel für die Aufnahme in das Orchester der Wiener Staatsoper gewonnen werden. Nachdem der angehende Musiker diese Hürde genommen hat, gilt es, sich mindestens drei Jahre im täglichen Orchesterdienst zu bewähren, bevor der Antrag auf Mitgliedschaft in den Verein der Wiener Philharmoniker gestellt werden kann.

Das Engagement im Orchester der Wiener Staatsoper garantiert den Mitgliedern eine finanzielle Stabilität die für einen privaten Konzert-unternehmer unfinanzierbar wäre, wollte er nicht seine Unabhängigkeit an entsprechend potente Sponsoren verkaufen. Die Unabhängigkeit der philharmonischen Musiker, welche diese der festen Anstellung in der Oper verdanken, kommt der Oper wiederum zu Gute, denn die am Konzertpodium erarbeitete Qualität wirkt sich positiv auf das künstlerische Niveau der Opernvorstellungen aus. Ohne Wiener Staatsoper gäbe es die Wiener Philharmoniker in dieser Form nicht, und in Wien hat sich die Erkenntnis längst durchgesetzt, dass die Symbiose zwischen Staatsoper und Philharmonikern beiden Partnern Vorteile bringt, und für das musikalische Leben der Stadt eine große Bereicherung darstellt.

Künstlerische und unternehmerische Eigenverantwortlichkeit

Die Faszination, welche das im Jahre 1842 von Otto Nicolai gegründete Orchester seit seinem ersten Konzert auf die größten Komponisten und Dirigenten sowie auf das Publikum in aller Welt ausübt, beruht neben der bewusst gepflegten, von einer Generation an die nächste weitergegebenen Homogenität des Musizierens auf seiner einzigartigen Struktur und Geschichte: Die Notwendigkeit, den symphonischen Werken Mozarts und Beethovens in deren Heimatstadt kongeniale Interpretationen zu ermöglichen, führte 1842 zum Entschluss der Musiker des (Hof-)Opernorchesters, unabhängig von ihrem Theaterdienst in künstlerischer und unternehmerischer Eigenverantwortlichkeit "Philharmonische" Konzerte zu veranstalten, wofür nur eine einzige Organisationsform geeignet war - die Demokratie, um welche sechs Jahre später auf politischer Ebene blutig gekämpft wurde.

Demokratische Selbstverwaltung

Dieser eingeschlagene Weg der philharmonischen Selbstverwaltung und Demokratie wurde in eineinhalb Jahrhunderten lediglich modifiziert, aber nicht verlassen. Oberstes Gremium des Vereines ist die Hauptversammlung. Pro Saison finden neben der vom Gesetz vorgeschriebenen ordentlichen Hauptversammlung durchschnittlich fünf bis sechs außerordentliche Plenarsitzungen statt. Theoretisch kann in diesem Gremium jedes Problem diskutiert und abgestimmt werden, in der Praxis gibt es gewisse Modifikationen, werden doch zahlreiche Entscheidungen dem Ermessen des aus zwölf gewählten Orchestermitgliedern bestehenden Verwaltungs-ausschusses überlassen. Diese erfahren spätestens bei der nächsten Wahl, ob sie bezüglich jenes freiwillig eingeräumten Handlungsspielraumes noch das Vertrauen der Mehrheit der Kollegen besitzen. Mit Ausnahme von Statutenänderungen (Vier-Fünftel-Mehrheit) entscheidet bei jedem Votum im Plenum die einfache Majorität, während die Durchführung der vom Plenum getroffenen Beschlüsse dem Verwaltungs-ausschuss obliegt. Selbstverständlich machte die Expansion zu einem Wirtschaftsunternehmen mittlerer Größe die Einstellung einiger Fachkräfte notwendig, jedoch sind es die gewählten Funktionäre, Orchestermusiker also, die die Letztverantwortung tragen, und allein zu Entscheidungen berechtigt sind.

Die Botschaft der Musik

Die Wiener Philharmoniker haben es sich jedenfalls zur Aufgabe gemacht, die stets aktuelle humanitäre Botschaft der Musik in den Alltag und in das Bewusstsein der Menschen zu bringen. Im Jahr 2005 wurden sie zu Goodwill Ambassadors der Weltgesundheitsorganisation (WHO) ernannt, und seit 2006 sind sie auch Botschafter der Phonak-Initiative "Hear the World". Die Wiener Philharmoniker suchen jenes Motto zu verwirklichen, das Ludwig van Beethoven, dessen symphonischem Schaffen sie ihr seine Entstehung verdanken, seiner "Missa solemnis" voranstellte: "Von Herzen - möge es wieder zu Herzen gehen."

Ensemble Chor Wiener Singverein

Menschen, die Musik machen
Menschen machen die Musik


Singen im Wiener Singverein – das heißt: Liebhaberei mit höchsten künstlerischen Ansprüchen verbinden. Das bedeutet: nicht vom Singen, aber in vieler Hinsicht für das Singen leben.

So machen rund 200 Sängerinnen und Sänger das Unwahrscheinliche möglich: ein "Amateurchor" zu bleiben und doch auf professionellem Niveau zu musizieren. Die besten Orchester und die wichtigsten Dirigenten arbeiten regelmäßig mit dem Chor zusammen.

Höchste Qualität ist beim Singverein schon von Haus aus selbstverständlich. Sein Zuhause, der Wiener Musikverein, ist weltweit eine der ersten Adressen in Sachen klassischer Musik. Der Singverein gehört zur Identität der Gesellschaft der Musikfreunde in Wien, und seine Anfänge reichen zurück bis ins Jahr 1812, das Gründungsjahr der Gesellschaft. Der Goldene Saal des Wiener Musikvereins ist demgemäß sein wichtigstes Podium. Doch gastiert er oft auch in anderen Zentren des internationalen Musiklebens.

Prominente Namen prägen die Geschichte des Chores, der 1858 als Zweigverein der Gesellschaft der Musikfreunde offiziell gegründet wurde. Johannes Brahms war einige Jahre lang sein künstlerischer Leiter. Und von Brahms über Buckner und Mahler bis zu Franz Schmidt und Otto M. Zykan reicht die Reihe prominenter Uraufführungen, an denen der Singverein maßgeblich beteiligt war.

Seit seiner Gründung ist der Singverein Partner der bedeutendsten Dirigenten – unter ihnen Wilhelm Furtwängler, Karl Böhm und Leonard Bernstein. Mehr als vier Jahrzehnte, von 1947 bis 1989, prägte Herbert von Karajan das Profil des Wiener Singvereins und machte den Chor auch durch Schallplattenaufnahmen weltbekannt.

In jüngster Zeit waren es Dirigenten wie Daniel Barenboim, Pierre Boulez, Valery Gergiev, Nikolaus Harnoncourt, Ton Koopman, Fabio Luisi, Mariss Jansons, Zubin Mehta, Riccardo Muti, Seiji Ozawa, Georges Prêtre, Sir Simon Rattle und Franz Welser-Möst, mit denen der Wiener Singverein nahtlos an seine große Vergangenheit anschloss.

Der künstlerische Erfolg des Wiener Singvereins wäre nicht denkbar ohne die herausragende Arbeit seines Chordirektors: Johannes Prinz und der Wiener Singverein – auch das ist eine vollendete Synthese von Professionalität und Liebhaberei. Prinz, im Hauptberuf Universitätsprofessor für Chorleitung, ist ein "Profi" durch und durch. Eines freilich fasziniert ihn besonders: aus dem Idealismus wahrer „Amateure“ den Funken zu professioneller Leistung zu schlagen. Wie er das schafft, bleibt sein Geheimnis. Aber es hat zu tun mit dem Credo, dass nicht Stimmen, sondern Menschen die Musik machen.

(Joachim Reiber)

Ensemble Orchester Berliner Philharmoniker

Der Auftakt
Frühjahr 1882: Als Benjamin Bilse den Mitgliedern seiner Kapelle für eine Konzertreise nach Warschau neben einem ohnehin schon mageren Honorar nur eine Bahnfahrt vierter Klasse spendieren will, verweigern ihm 50 seiner Musiker die Gefolgschaft und beschließen, sich als »Frühere Bilsesche Kapelle« selbständig zu machen. Von Anfang an erhält das junge Ensemble administrative Unterstützung von dem Berliner Konzertagenten Hermann Wolff. Auf seinen Rat hin ändern die Musiker den Namen ihres Klangkörpers in »Berliner Philharmonisches Orchester«, er sucht auch nach geeigneten Räumlichkeiten und macht eine umgebaute Rollschuhbahn zur ersten »Philharmonie«. Außerdem besorgt er für die von ihm veranstalteten Abonnement-Konzerte den besten Dirigenten ihrer Zeit.

Die großen Orchestererzieher
Hans von Bülow hat schon die Meininger Hofkapelle zu einem erstklassigen Ensemble geformt, als er die Arbeit mit den Berliner Philharmonikern aufnimmt. In nur fünf Jahren legt er die Grundlagen für jene außergewöhnliche Spielkultur, die man fortan mit dem Namen des Orchesters verbinden wird.

Die nach Bülow kommen, bleiben lange: Arthur Nikisch tritt 1895 sein Amt an, und für 27 Jahre prägt er den Orchesterstil entscheidend. »Es kann ohne Zögern behauptet werden, dass in einem erstrangigen Orchesterkörper ein jedes Mitglied die Bezeichnung ›Künstler‹ verdient«, hat Nikisch einmal geschrieben, und mit diesem Credo trägt er bei den Berliner Musikern wesentlich zu dem »solistischen« Selbstverständnis bei, das bis heute eine der unverwechselbaren Qualitäten der Philharmoniker darstellt. Waren Bülows Interpretationen von eher analytischer Brillanz, so sind Nikischs Aufführungen getragen von einer mit sparsamsten Gesten vermittelten klanglichen Pracht und Wärme sowie von einer rhapsodischen, wie improvisiert wirkenden Weite. Dementsprechend liegen seine Repertoireschwerpunkte bei Tschaikowsky, Berlioz, Liszt, Strauss, Mahler – und immer wieder Bruckner. Unter seiner Leitung gewinnt das Orchester international an Geltung, und alle Solisten von Rang und Namen kommen nach Berlin, um mit den Philharmonikern aufzutreten.

Als Nikisch 1922 stirbt, wird der junge Wilhelm Furtwängler sein Nachfolger. Und dieser baut auf Nikischs Errungenschaften auf: Seine eigenwillige Schlagtechnik und sein leidenschaftliches, inspiriertes Musizieren fordern von den Musikern extreme Eigenverantwortlichkeit und Sensibilität. Furtwänglers Philosophie betont die Zeitlosigkeit großer Kunstwerke, und so bekennt er sich ganz bewusst zu den Meistern der Klassik und Romantik. Er und sein Berliner Orchester werden legendäre Interpreten der Werke Beethovens, Brahms’ und Bruckners; gleichzeitig erweitert Furtwängler das Repertoire um zeitgenössische Stücke von Schönberg, Hindemith, Prokofjew und Strawinsky. Mit Auslandstourneen begründen die Philharmoniker ihren internationalen Ruf als eines der besten Orchester der Welt.

Kriegswirren
Die nationalsozialistische Diktatur und der Krieg richten in der deutschen Kulturlandschaft irreparable Schäden an. Dies betrifft auch die Berliner Philharmoniker. Durch den Rassenwahn der Machthaber verlieren sie wertvolle Musiker und geraten im weltweiten Austausch von Solisten und Dirigenten in die Isolation. Gleichzeitig wird das deutsche Vorzeigeensemble für die offizielle Kulturpolitik instrumentalisiert. Dennoch gelingt es Furtwängler und dem Orchester, die künstlerische Substanz über den Krieg hinweg zu retten.
Die Philharmoniker geben unter Leo Borchard schon am 26. Mai 1945 im Titania-Palast, einem umgebauten Kino, ihr erstes Konzert nach dem Krieg, doch im August wird Borchard versehentlich von einem Besatzungssoldaten erschossen. Ein gänzlich unbekannter Nachwuchsdirigent, der Rumäne Sergiu Celibidache, wird praktisch von der Hochschule weg engagiert, und die Einschätzung des Orchesters erweist sich als richtig: Celibidache begeistert mit viel Temperament und großer Programmvielfalt. Wilhelm Furtwängler kann die Philharmoniker erst nach seiner Entnazifizierung 1947 wieder dirigieren. 1952 übernimmt er erneut als Chefdirigent die Leitung des Orchesters.

Die Ära Karajan
Im November 1954 stirbt Furtwängler. Ihm folgt jener Mann, der so lang wie kein anderer als künstlerischer Leiter mit dem Ensemble verbunden bleiben wird: Herbert von Karajan. Er erarbeitet mit dem Orchester eine spezifische Klangkultur, eine Perfektion und Virtuosität, die es in dieser Form bislang nicht gegeben hat und die eine Grundlage bilden für den nationalen wie internationalen Siegeszug des Ensembles – im Konzert wie mit ungezählten Schallplattenaufnahmen.
Darüber hinaus versteht es Karajan, im Orchesterumfeld wesentliche Neuerungen umzusetzen: 1967 werden die Osterfestspiele Salzburg ins Leben gerufen, mit denen die Philharmoniker ihr eigenes international bedeutendes Festival ausrichten und sich auch als Opernorchester profilieren. Eine weitere Initiative ist die Orchester-Akademie der Berliner Philharmoniker, mit der in praxisnahem Unterricht begabte Nachwuchsmusiker auf die hohen Anforderungen eines Spitzenorchesters vorbereitet werden.
In die Ära Karajan fällt auch der Bau der neuen Philharmonie: Seit Oktober 1963 residiert das Orchester in dem von Hans Scharoun entworfenen Konzertsaal, der 1987 um einen Kammermusiksaal erweitert wird.

Claudio Abbado
Nach fast 35 Jahren als Künstlerischer Leiter stirbt Herbert von Karajan im Juli 1989. Sein Nachfolger wird kein Unbekannter: Claudio Abbado dirigierte die Philharmoniker erstmals 1966 und hat sich seitdem die Hochachtung der Musiker erworben. Er ist kein Orchestererzieher im Sinne seiner Vorgänger, er beeindruckt durch Überzeugungskraft und künstlerische Präsenz.
Durch eine Zusammenführung von zeitgenössischem und traditionellem Repertoire in übergeordnete und weitere Kunstsparten mit einbeziehenden Konzepten setzt Abbado neue programmatische Akzente. Jeder Konzertzyklus hat nun eigene thematische Schwerpunkte wie zum Beispiel »Faust«, »Der Wanderer« oder »Musik ist Spaß auf Erden«. Dieser konzeptionellen Modernisierung entspricht eine deutliche Verjüngung der Philharmoniker: Weit über die Hälfte der Musikerinnen und Musiker der heutigen Besetzung werden in dieser Zeit neu in das Orchester aufgenommen. Im Februar 1998 gibt Claudio Abbado bekannt, dass er seinen Vertrag nicht über die Spielzeit 2001.2002 hinaus verlängern wird, und im Juni des folgenden Jahres wählen die Berliner Philharmoniker mit großer Mehrheit einen neuen Chefdirigenten.

Sir Simon Rattle – Zukunft@BPhil
Mit der Ernennung von Sir Simon Rattle gelingt es dem Orchester nicht nur, einen der erfolgreichsten Dirigenten der jüngeren Generation zu gewinnen, sondern auch wichtige Neuerungen einzuführen. Die Umwandlung des Orchesters in die öffentlich-rechtliche Stiftung Berliner Philharmoniker zum 1. Januar 2002 schafft zeitgemäße Rahmenbedingungen für neue Gestaltungsfreiräume und für die wirtschaftliche Kontinuität des Klangkörpers, der zur Zeit über 128 Planstellen verfügt. Gefördert wird die Stiftung durch das großzügige Engagement der Deutschen Bank als Hauptsponsor. Einen Schwerpunkt dieser Förderung bildet das mit dem Amtsantritt von Sir Simon Rattle ins Leben gerufene Education-Programm Zukunft@BPhil, mit dem sich das Orchester breiteren und vor allem jüngeren Publikumsschichten zuwendet. Sir Simon Rattle hat seine Intentionen so zusammengefasst:
»Zukunft@BPhil soll uns daran erinnern, dass Musik kein Luxus ist, sondern ein Grundbedürfnis. Musik soll ein vitaler und essenzieller Bestandteil im Leben aller Menschen sein.« In der 126-jährigen Geschichte der Berliner Philharmoniker bedeutet dies eine Erweiterung ihres kulturellen Auftrags, der sie sich mit dem für sie charakteristischen Engagement widmen.
Für dieses Engagement wurden die Berliner Philharmoniker und ihr Künstlerischer Leiter Sir Simon Rattle zu Internationalen UNICEF-Botschaftern ernannt, eine Auszeichnung, die erstmals einem künstlerischen Ensemble zuteil wird. Die feierliche Ernennung erfolgte im November 2007 in New York vor der Vorstellung des Tanzprojektes The Rite of Spring. Das Tanzprojekt fand während einer zehntägigen residency der Berliner Philharmoniker im Rahmen des Berlin in Lights Festivals der Carnegie Hall statt und wurde im United Palace Theater in Harlem aufgeführt.

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