Hans-Eberhard Roß gehört mit seinen Einspielungen der Vierne-Symphonien und der Orgelwerke von César Franck auf seiner Hausorgel (Goll, 1998,Mehr lesen
Hans-Eberhard Roß gehört mit seinen Einspielungen der Vierne-Symphonien und der Orgelwerke von César Franck auf seiner Hausorgel (Goll, 1998, IV/62) zu den herausragenden Organisten, zumindest in Bayern. Diesen Aufnahmen fügt er nun eine Doppel-CD hinzu mit den Sonaten Bachs und Mendelssohns in numerischer Abwechslung. Das Gemeinsame dieser Orgel-Highlights ist bereits im Titel genannt, beide Zyklen sind als Orgelschulen entstanden, bei Bach expressiv verbis belegt, bei Mendelsohn eher als Anregung gemeint. Alle Sonaten verlangen lang erprobtes virtuoses Können – und tiefes Verständnis des Interpreten, weshalb sie meist von reiferen Organisten eingespielt worden sind, und das in beachtlicher Zahl. Hans-Eberhard Roß stellte sich nun ein in die lange Reihe solcher Interpreten.
Wenn diesen eigentlich in Überfluss vorliegenden Einspielungen eine neue hinzugefügt wird, sucht der Hörer nach dem Besonderen in diesen Interpretationen, sei es ein besonderes Instrument, besondere Registrierungen und Klänge oder neue Einsichten in Tempo, Artikulation oder Agogik. Auch wollen bei den gebündelten 38 Sätzen der Sonaten die klanglichen Möglichkeiten einer Orgel ausgereizt werden, da ist es schade, dass sich im Booklet nicht die Registrierungen der einzelnen Sätze finden, noch nicht einmal die Disposition der Goll-Orgel. Die ist zwar leicht aus dem Internet zu fischen, aber sie allein ordnet die Register nicht den gehörten Klängen zu.
Ob es bei Bachs Sonaten größer besetzter Registrierungen bedarf, stellt sich als grundsätzliche Frage. Schließlich sind die Triosonaten auch auf einem zweimanualigen Pedalcembalo vorstellbar, dabei die linke Hand tiefoktaviert und nur mit einem 4‘ besetzt, was ein unbequemes Kreuzen der Hände vermeidet. Da neobarocke Orgeln lange kaum genügend befriedigende kammermusikalische Einzelstimmen boten, spielte man zwangsläufig mit größeren Besetzungen und wechselte die Registrierungen von Satz zu Satz, was den Sonaten aber zumeist ihre zerbrechliche Schönheit und Einheit nahm. Neuere Uminstrumentierungen für z.B. zwei Violinen und Continuo kommen da dem Geist der barocken Triosonaten wieder näher. Die symphonische Orgel in Kempten muss hier schon wegen ihres starren Windes passen. Roß versucht auch gar nicht erst, dem Löwen das Schnurren beizubringen, allenfalls in manchen langsamen Sätzen kommt da ein wenig Barockfeeling auf. Die Sonaten vertragen zwar seine manchmal flinken Tempi und harten Artikulationen, aber diverse Schönheiten blühen da nicht auf. Auch im Booklet werden die Triosonaten leider nur nebenbei abgehandelt.
Etwas anders schaut es natürlich bei den Mendelssohn-Sonaten aus, die satte romantische Farben vertragen, auch wenn Mendelssohn solche Farben kaum gekannt hat. Ähnlich wie bei Bach klingen sie auf allen Sorten von Orgeln ganz gut, am schönsten aber eher auf kleineren mit sehr charaktervollen Stimmen. Natürlich trifft Roß den Gusto dieser Musik hervorragend, allein: Momente eines besonderen Hinhörens werden dem Hörer nicht geschenkt. Da mag die Übersättigung an diesen Sonaten eine Rolle spielen, aber der Hörer darf auch hier das Einlösen eines Versprechens des Neuen, vielleicht Einmaligen, das die Erwartung zu Beginn eines Konzertes stellt, verlangen. Der Booklettext zentriert den Blick etwas einseitig auf die Pedalansprüche Mendelssohns, die jedoch nicht allein Maßstäbe setzten für die romantische Orgelsonate. Ihre Daseins-Begründung in der Neubelebung aktueller Orgelmusik wird ebenfalls nicht weiter akzentuiert.
Insgesamt stellt Roß mit dieser Aufnahme sein breites virtuoses Können erneut unter Beweis, gerne hätte sich der Rezensent aber gefesselter gefühlt.
Hans-Eberhard Roß gehört mit seinen Einspielungen der Vierne-Symphonien und der Orgelwerke von César Franck auf seiner Hausorgel (Goll, 1998,