Schwäbisches Tagblatt
| 22. Juni 2024 | Dr. Achim Stricker | June 22, 2024
Nah-Erlebnis am Pfeifenwerk
Der Reutlinger Organist Martin Neu hat Bachs Orgel-Trios eingespielt
Bachs sechs Triosonaten BWV 525-530 sind keine Kammermusik für drei Instrumente, wie der Titel irreführend suggerieren könnte. Es sindMehr lesen
Bachs sechs Triosonaten BWV 525-530 sind keine Kammermusik für drei Instrumente, wie der Titel irreführend suggerieren könnte. Es sind Orgel-Sonaten im streng dreistimmigen Satz: drei gleichwertige, voneinander unabhängige Stimmen auf zwei Manualen sowie dem Orgelpedal. Meisterstücke kontrapunktischer Stimmführung und Ökonomie, entstanden um 1730 als Musterexempel für den Unterricht des ältesten Bach-Sohns Wilhelm Friedemann. Die kompositorisch kniffligen, strikt und konsequent nur dreistimmigen Satzstrukturen sind auch spieltechnisch eine Herausforderung. Nicht zuletzt verlangen sie eine enorme Konzentration: Im offenliegenden Trio-Stimmengewebe kommt es auf jeden einzelnen Ton an.
Martin Neu – Kantor an St. Peter und Paul mit Elisabeth in Reutlingen und Dekanatskirchenmusiker für das Dekanat Reutlingen/Zwiefalten – hat nun alle sechs Triosonaten eingespielt. Die CD ist soeben beim unabhängigen Klassik-Label audite erschienen. Eine hochauflösend tiefenscharfe Aufnahme, sehr direkt am Pfeifenwerk der Ahrend-Orgel von St. Otto im fränkischen Herzogenaurach abgenommen. Ein außergewöhnliches Nah-Erlebnis, dass man geradezu zwischen die Töne hineinhören kann. Mit einer Klangintensität und Transparenz, die in den langsamen Sätzen die Obertöne leuchten lässt.
Martin Neu gibt in allen Sätzen den drei Stimmen je eigenen Charakter – mit kontrastierenden Registern und Artikulations-Nuancen, sensibel durchgestuft in Vorder- und Hintergrund. Die langsamen Sätze lässt er mit dem langen Atem und der melodischen Innigkeit Bach’scher Choralbearbeitungen singen. In den schnellen Ecksätzen macht er die imitatorisch konzertierenden Stimmverläufe parallel mitvollziehbar. Zumal in den Finalsätzen löst er den strengen Satz auf in mitreißend freies Spiel: ausgelassener Überschwang, die Motorik immer im Tempo, nirgends mechanisch, immer flexibel und nie in Hast geratend.
Neus Interpretation macht hörbar, wie komplementär die drei Stimmen überall aufeinander bezogen sind, wie klug durchdacht sie ineinandergreifen. Das CD-Cover hat die Tübinger Künstlerin Beatrix Giebel gestaltet.
INFO: Die CD „J.S. Bach: Trio Sonatas for Organ“ ist im Handel und auf Internet-Plattformen erhältlich. Auf der Homepage des Labels (www.audite.de) gibt es beim Kauf der CD (zum ermäßigten Preis von € 15,99) zudem das komplette Album noch einmal kostenlos als MP3-Download. Erstmals bei audite ist die CD auch im innovativen Klangformat Dolby Atmos erhältlich und auf entsprechenden Geräten mit immersivem 3D-Sound abspielbar.
Bachs sechs Triosonaten BWV 525-530 sind keine Kammermusik für drei Instrumente, wie der Titel irreführend suggerieren könnte. Es sind